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Zum Tod des Kunsthistorikers Prof. Dr. Wilhelm Schlink (25.12.1939 – 29.8.2018)


Wilhelm Schlink wurde 1939 in Bielefeld geboren. Sein Vater war der evangelische Theologe, Mitglied der Bekennenden Kirche und Rektor der Universität Heidelberg Edmund Schlink. Sein jüngerer Bruder ist der Jurist und bekannte Buchautor Bernhard Schlink (Der Vorleser / Die Frau auf der Treppe). Ab 1959 orientierte sich Wilhelm Schlink im Studium Generale der Universität München mit einem juristischen Schwerpunkt, entschied sich 1961 aber unter dem Eindruck der Lehre von Hans Sedlmayr für das Fach Kunstgeschichte. Wie in dieser Disziplin üblich, reiste Schlink viel und wechselte oftmals den Studienort: Würzburg, Zürich, Hamburg, Berlin und Heidelberg waren wichtige Stationen, bis er 1968, nach einem einjährigen Forschungsaufenthalt in Paris, von Herbert Siebenhüner in Würzburg mit einer Arbeit über die Kathedrale von Langres und ihre Stellung innerhalb der burgundischen Architektur der Spätromanik promoviert wurde. Seine Assistentenzeit absolvierte er bei Wolfgang Schöne am Seminar in Hamburg, wo er 1974 mit einer Studie über die ungewöhnliche Form der Abteikirche Saint-Bénigne in Dijon und ihrem Urheber, dem Abt Wilhelm von Volpiano habilitierte. Danach lehrte Schlink u.a. an den Universitäten in Kiel und Frankfurt a. M. An der 1979 eingerichteten Universität Trier war er Gründungsdirektor des Kunstgeschichtlichen Seminars. 1984 übernahm er den Lehrstuhl für Kunstgeschichte in Freiburg, wo er bis zu seiner Emeritierung 2005 unterrichtete und das Institut maßgeblich prägte. Einen Ruf an die Universität Wien lehnte er 1992 ab. Gastdozenturen führten ihn außerdem nach Leipzig, Jerusalem (Hebrew Univ.), Paris (Collège de France) und Pisa (Scuola Normale Superiore). Schlinks Forschungsgebiete betreffen vor allem die Romanische und Gotische Architektur Frankreichs und die bildende Kunst der Gotik. Einem breiteren Publikum wurde er durch eine konzise Geschichte der gotischen Kathedralen Frankreichs (1978, Heyne Verlag) sowie einem Band über die Christusstatue (Beau-Dieu) am Hauptportal in Amiens (1991, Insel Taschenbuch) bekannt. Seine wissenschaftlichen Arbeiten bestechen durch analytische Präzision und Offenheit für ungewöhnliche Fragen. So zeigte Schlink u.a., dass der lange als bedeutender gotischer Architekt angesehene Villard de Honnecourt, von dem in der Bibliothèque Nationale in Paris ein berühmtes Heft mit figürlichen und architektonischen Zeichnungen erhalten ist, nicht einmal schreiben konnte. An anderer Stelle verdeutlichte er, dass ein vermeintlich nebensächliches Motiv, wie die Sockelbildung im Kirchenraum, ein fruchtbarer Ausgangspunkt für die Gewinnung neuer Elemente zur Raumanalyse sein kann (Groß und Klein, Nah und Fern, 1986). Durch die akademische Lehre kamen neue Forschungsgebiete hinzu wie das moderne Frankreich und seine künstlerischen Traditionen, die Malerei des 19. Jahrhunderts in Deutschland mit den Nazarenern und Hans Thoma sowie die Malerei des 16. Jahrhunderts in Italien, speziell Venedigs. Manche dieser Themen konnte Schlink jedoch erst nach seinem Ruhestand vertiefen, denn schon er klagte über die zunehmende Bürokratisierung des Universitätsbetriebes und den damit einher gehenden Zeitmangel. So erschien die aus diesem Kontext stammende, für ein breites Publikum geschriebene Tizian-Biographie erst 2008 (Beck Verlag). Außerdem interessierte sich Schlink für die Geschichte der kunsthistorischen Fachdisziplin und für Methodenfragen. Hierzu hat er wichtige Veröffentlichungen beigetragen (u.a. zu Giovanni Morelli, Richard Muther). Mit großem Einsatz und Erfolg hat er sich Verdienste um den Freiburger Institutsgründer Wilhelm Vöge (1868 – 1952) erworben, dessen Nachlass er nach Freiburg holen und in Gestalt des Vöge-Archivs einrichten konnte (dazu Vöge-Symposium 2003). Schlink hat auch viel über den Baseler Gelehrten Jacob Burckhardt publiziert und war Mitherausgeber der neuen Burckhardt-Gesamtedition. Oftmals nahm er in Rezensionen oder in Beiträgen in der Neuen Zürcher Zeitung zu Fachdebatten Stellung. Den Freiburger Kollegen ist Schlink durch seine intellektuelle Aufgeschlossenheit und Agilität, seine witzelnd ironische Art und seine persönliche Integrität in Erinnerung. In der universitären Selbstverwaltung war Schlink als Prodekan, Dekan und Senatsmitglied tätig. Außerdem war er Beauftragter des Rektors in der Kunstkommission und Mitglied des Denkmalrates Freiburg. Am 29. August 2018 schied er in Freiburg aus dem Leben.

Hans W. Hubert