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Hans Peter Autenrieth – Biographie



Hans Peter Autenrieth wurde 1939 in Hof an der Saale als zweiter Sohn des evangelischen Diakons Hans Autenrieth und seiner Ehefrau Christine Autenrieth geboren. Zunächst besuchte er das Humanistische Gymnasium in Ansbach und später das Melanchton-Gymnasium in Nürnberg, wo er 1958 sein Abitur absolvierte. Aufgrund seiner zeichnerischen Begabung wollte er eigentlich Graphiker werden und an der Kunstakademie in München studieren, doch wurde seine Bewerbungsmappe als nicht ausreichend angesehen. Daraufhin entschied sich H. P. Autenrieth für ein Studium der Kunstgeschichte mit Archäologie und Philosophie als Nebenfächer. Zunächst besuchte er die Ludwig-Maximilians-Universität München, bevor er im Sommersemester 1960 zur Albert-Ludwigs-Universität Freiburg wechselte. Ein Jahr später wechselte H. P. Autenrieth wieder zur Universität München, wo er bis 1963 sein Studium fortsetzte. 1972 heiratete er die Kunsthistorikerin Beate Janberg. 1983 schloss H. P. Autenrieth seinen Magister bei Prof. Dr. Hermann Bauer 1983 ab und wurde danach als selbstständiger Kunsthistoriker tätig: er führte hauptsächlich Lehr- und Forschungsaufträge aus und präsentierte die Ergebnisse seiner Recherchen auf zahlreichen Tagungen. Seine Tätigkeiten führte er in enger Zusammenarbeit mit seiner Frau Beate aus, die ihn sehr unterstützte und sich an vielen seiner Projekte wissenschaftlich beteiligte. Neben seiner beruflichen Arbeit engagierte sich H. P. Autenrieth auch aktiv im Bereich des Naturschutzes in Krailling, wo sich das Ehepaar in den 70er Jahren niedergelassen hatte.

Mitarbeit an der Bibliographie der Kunst in Bayern In seiner Studienzeit arbeitete H. P. Autenrieth ab Mai 1962 an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften an der Vorbereitung der Bibliographie der Kunst in Bayern mit. Diese umfassende, mehrbändige Publikation wurde unter der Leitung von Dr. h. c., Dr. phil., Univ.Prof. Hans Sedlmayr (1896–1984) herausgegeben, dessen Seminare H. P. Autenrieth an der Universität München besuchte. Bis 1967 beteiligte er sich an der Ergänzung, Organisation und Fertigstellung der Bände 2 (1964) und 3 (1967), unter anderem in Zusammenarbeit mit Beate Janberg, welche an der Vorbereitung der Bände 3 und 4 (1973) mitwirkte.

Auseinandersetzung mit dem Werk des regionalen Künstlers Wilhelm H. Arnold Am Anfang seiner kunsthistorischen Tätigkeit beschäftigte sich H. P. Autenrieth mit dem Werk des zeitgenössischen Künstlers Wilhelm Heidwolf Arnold (1897–1984), der als freiberuflicher Kunstbildhauer und Maler arbeitete. Mit diesem war er durch dessen Sohn, Heidwolf Arnold, bekannt geworden, den er 1962 während seiner Studienzeit in München kennengelernt hatte und mit dem er seitdem befreundet war. H. P. Autenrieth beteiligte sich somit an der Verfassung der Monographie zu Arnolds Werk, die Heidwolf Arnold und seine Frau Christa 1982 zu seinem 85. Geburtstag herausgaben, indem er deren Einführung schrieb. Als 1997 der “Künstlerhof Arnold“ im ehemaligen Wohnhaus und Atelier des Künstlers in Allendorf zu dessen 100. Geburtstag eröffnete, äußerte sich H. P. Autenrieth wieder mit großem Einsatz zu Arnolds Werk und würdigte dieses in einer Festansprache.

Einstieg in das Forschungsgebiet der Polychromie mittelalterlicher Architektur Ab 1968 beschäftigte sich H. P. Autenrieth zunehmend mit dem Forschungsgebiet der Polychromie mittelalterlicher Architektur. Wie er später in seinem Vortrag beim XXI. Deutschen Kunsthistorikertag 1988 erklärte, verstand er darunter alles, was zur farbigen Wirkung des Bauwerkes beiträgt – von der Steinbearbeitung hervorgerufene Oberflächeneffekte, Putz, Malerei, usw. – und beschäftigte sich sowohl mit dem Befund der Farbfassung als auch mit der Baugeschichte von Kirchenbauten. Hiermit erstrebte er „eine formgeschichtliche Interpretation der Architektur, unter Einfluss der Farben“. Dabei spezialisierte er sich auf den oberitalienischen Raum und absolvierte im Rahmen privater Recherchen mehrere Studienaufenthalte in Italien und der Schweiz (Tessin). Schon zu Beginn seiner Laufbahn machte er einige, für die kunsthistorische Forschung wesentliche Entdeckungen in Modena, Aosta sowie Cremona, welche er in verschiedenen Publikationen vorstellte. Im Laufe seiner Karriere veröffentlichte er zahlreiche weitere Artikel zu oberitalienischen Kirchenbauten und Wandmalereien und beschäftigte sich in seiner 1983 abgeschlossenen Magisterarbeit mit dem Kloster Polirone und dem Einfluss Clunys auf die romanische Architektur in Italien. 1992 unterrichtete er an der Universität Bern zum Thema „Material, Oberfläche und Farbe in der mittelalterlichen Kunst“. Das Thema der Farbigkeit der Architektur gab schließlich Anlass zu einem Dissertationsprojekt, welches er leider nicht zu Ende führen konnte.

Wissenschaftliche Rekonstruktion der Innenausmalung der Kathedrale von Modena Den ersten bedeutenden wissenschaftlichen Beitrag H. P. Autenrieths bildete die Rekonstruktion der Innenausmalung der Kathedrale von Modena. Diese Dekorationsmalerei, welche um 1220 in der zweiten Bauperiode des Domes – der Zeit des Umbaus durch die Baumeisterfamilie der Campionesi – entstanden war, war 1886 bei einer Restaurierung vernichtet worden. Im Rahmen der umfassenden Untersuchung des Baus, die parallel zur Restaurierung der Domfassade (1972–1984) unter der Leitung den Restorator Uber Ferrari stattfand, setzte sich der Kunsthistoriker ab 1979 intensiv mit der Farbigkeit des Gebäudes auseinander. Malereireste ließen ihn vermuten, dass der ganze Dom zur Zeit der Campionesi mit einer einheitlichen Ausmalung versehen war. Um mehr darüber zu erfahren, erkundete er den Dachboden, der nachträglich – in der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts – eingewölbt wurde, und fand dort zahlreiche Reste der romanischen Ausmalung aus der Zeit um 1220. Mit Hilfe von weiteren Farbresten im Erdgeschoss sowie von Fotos und Aquarellen aus dem Modeneser Archivio Capitolare, welche in der Zeit entstanden waren, in der die Ausmalung vernichtet worden war, gelang es ihm u.a. das Bemalungsschema des Langhauses zu rekonstruieren. So bestand das Dekorationssystem offensichtlich aus roten, auf einem weißen Hintergrund gemalten Ziegelbändern, und aus einigen schwarzen Ornamenten auf den Kapitellen. Die Dekorationsmalerei der Campionesi verlieh also der Kathedrale eine intensive Farbenprächtigkeit: wie man es ebenfalls anhand von verschiedenen Befunden nachweisen konnte, waren ihre Backsteinmauern im Inneren bis dahin unbemalt geblieben. Die Rekonstruktion der Innenausmalung durch H. P. Autenrieth wurde 1984 im Katalog der Ausstellung „Lanfranco e Wiligelmo. Il Duomo di Modena“ präsentiert, welche zum 800. Jubiläum der Domweihe und zum Abschluss der Fassadenrestaurierung organisiert wurde.

Die Wandmalerei in der Kathedrale von Aosta: Ein einzigartiger Fund Ebenfalls 1979 machte H. P. Autenrieth den wichtigsten Fund seiner Karriere, und zwar entdeckte er in der Kathedrale von Aosta eine Wandmalerei aus dem 11. Jahrhundert. In dieser Zeit unternahm der Kunsthistoriker eine Forschungskampagne, welche zum Ziel hatte, „die mittelalterlichen Kirchen des Aostatales auf ihren ursprünglichen Zustand (Mauerwerk, Putz, Farbe)“ hin zu untersuchen. An beiden Obergadenwänden der Kathedrale entdeckte H. P. Autenrieth unter einer Schicht weißer Tünche einen umfangreichen, bisher unbekannten Bilderzyklus figürlicher Wandmalerei. Ähnlich wie in Modena befand sich der überdeckte Zyklus oberhalb einer tiefer angesetzten, 1493 in der Kathedrale eingebauten Wölbung, sodass dieser in Vergessenheit geraten war. Bald nach der Entdeckung 1979 entschied man sich für die Freilegung und Restaurierung dieser Wandmalerei, welche zwischen 1986 und 1991 erfolgten. Das Ablösen der Bilder von der Wand wurde dagegen ausgeschlossen. Durch ihre Recherchen identifizierten Hans Peter und Beate Autenrieth auf dem Zyklus folgende Motive: Auf der Südseite die Ägyptischen Plagen und das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus, auf der Nordseite die Legende des Heiligen Eustachius – in dieser Ausführlichkeit der früheste bekannte Eustachiuszyklus überhaupt. Über diesen Bildern befindet sich auf jeder Wand jeweils ein Bogenfries, der von ihnen durch ein beschriftetes Titulusband getrennt ist: Über dem Eustachiuszyklus wird die lange Reihe der Vorfahren Jesu Christi aus dem Liber vitae bei Matthäus (Kapitel 1) dargestellt,– auf der gegenüberstehenden Seite erscheint eine Reihe geistlicher Würdenträger. Außerdem sind an der Innenfassade zwei Engelsfiguren erhalten. 1992 stellten Hans Peter und Beate Autenrieth ihre Forschungsergebnisse erstmals auf der internationalen Tagung „Medioevo aostano. La Pittura intorno all’anno Mille in Cattedrale e in S. Orso“ in Aosta vor.

Korrektur der Architekturgeschichte der Kathedrale von Cremona Einige Jahre später widmeten sich Hans Peter und Beate Autenrieth der Untersuchung der Kathedrale von Cremona und starteten im September 1985 eine große Fotokampagne vor Ort. Auch dort konnten sie zentrale Erkenntnisse für die Forschung gewinnen, zunächst in Bezug auf die Baugeschichte des gewaltigen, über 80 Meter langen Querhauses der Kathedrale. Bisher galt es in der Forschung als fest etabliert, dass die Cremoneser Kathedrale im Mittelalter vorerst ohne Querhaus errichtet worden war, und dass beide riesige Querhausarme erst später, im 13. und im 14. Jahrhundert, hinzugefügt wurden. Im Laufe ihrer Recherchen – und dies insbesondere durch die Beobachtung von unterschiedlichen Typen von Backsteinschraffuren an verschiedenen Stellen der Kathedrale – stellten Hans Peter und Beate Autenrieth jedoch fest, dass das Querhaus bereits im 12. Jahrhundert geplant und zumindest teilweise ausgeführt worden war. Entscheidend dafür erwies sich die Tatsache, dass sich der älteste Mauer- und Schraffurtypus zugleich an der Ostseite des Nordquerhauses einwandfrei bis zur mittleren Höhe, an der Westseite des Querhauses sowie an der Fassade – die bisher erst 1288 datiert wurde – nachweisen ließ. Dieser Befund wurde glücklicherweise 1987 während der Restaurierung des ehemaligen Mesnerhauses bestätigt, in welchem der Archeo-Club von Cremona beabsichtigte, ein kleines Museum einzurichten. Dabei wurde der genaue Verbindungspunkt zwischen dem nördlichen Seitenschiff und dem nördlichen Querhaus entdeckt: dort zeigten beide Mauern ältestes Ziegelmaterial und den ältesten Schraffurtypus. Durch diese zufällige Freilegung konnte bewiesen werden, dass die Querhausmauer und die Langhausmauer bis zur Höhe des Fensterbogens gleichzeitig entstanden und dass über dieser Höhe im alten Mauerwerk nur noch das Seitenschiff weitergebaut wurde. Die Erkenntnis, dass bereits in der Romanik ein Querhaus geplant war, bildete eine wesentliche Korrektur der mittelalterlichen Architekturgeschichte: die Cremoneser Kathedrale zählte nicht mehr zu den typischen Basiliken ohne Querhaus, sondern erwies sich als eine Basilika mit einem in Italien eher seltenen Typus. Was das Dekorationssystem der Kirche angeht, war es für Hans Peter und Beate Autenrieth nicht möglich, dieses komplett zu rekonstruieren, wie es zuvor in Modena gelungen war. Allerdings konnten sie im Chor hinter einer hölzernen Tribüne aus dem 16. Jahrhundert ein teilweise übertünchtes Pfeilerbild entdecken. Diese Darstellung einer Madonna mit Kind aus dem 13. Jahrhundert, welche 1343 im Zuge einer weitgehenden Totalausmalung des Raumes überdeckt wurde, soll die älteste erhaltene Wandmalerei im Dom sein.

Auch die romanischen Wandmalereien der Kathedrale von Reggio Emilia unterzog er 2008 einer kritischen motivischen und phasenchronologischen Analyse.

„Zwanzig Jahre nach der Restaurierung“: ein selbstkonzipiertes Pionierprojekt zur Restaurierungsgeschichte Die Auseinandersetzung mit dem Fall der Kathedrale von Aosta – sollte die Wandmalerei freigelegt und/oder abgelöst werden? – sowie „ein anregendes Gespräch mit dem Restaurator Stefano Traccanelli“ gaben H. P. Autenrieth in diesen Jahren den Anstoß dazu, sich intensiver mit der Problematik der Restaurierung und Konservierung mittelalterlicher Wandmalereien und deren langfristigen Folgen zu beschäftigen. So konzipierte er auf eigene Initiative das ambitionierte Projekt „Zwanzig Jahre nach der Restaurierung“, welches er gemeinsam mit Jürgen Pursche, dem leitenden Restaurator für Wandmalerei im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, und dem Restaurator Peter Turek, ausführte. Zusammen arbeiteten sie ein Programm aus, in welchem ab 1985 von etwa 20 mittelalterlichen, prominenten Wandmalereien der damalige Zustand mit jenem nach der letzten Restaurierung ca. 20 Jahre zuvor kritisch verglichen werden sollte. Auf diese Art sollte an maßgebenden Stellen „die Haltbarkeit der Putz- und Malschicht-Sicherungen sowie die Beständigkeit restauratorischer Hinzufügungen“ untersucht werden. Zu jedem der bearbeiteten Wandmalereiobjekte entstand ein genaues Protokoll, in dem die alterungsbedingten Veränderungen und Folgen konservatorisch-restauratorischer Interventionen festgehalten und fotografisch belegt wurden. Das systematisch konzipierte, privat initiierte Projekt, von dem Autenrieth und Pursche 1986 ein Zwischenergebnis auf dem IIC Congress „Case-Studies in the Conservation of Stone and Wall Paintings“ in Bologna vorstellten, zählte zu den ersten, die sich mit dem Thema der Restaurierungsgeschichte beschäftigten.

Das BMFT-Projekt „Wandmalerei-Schäden“ Nach diesem ersten Projekt beteiligte sich H. P. Autenrieth an mehreren interdisziplinären, vom damaligen Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT) geförderten Projekten, die sich ab dem Ende der 80er Jahre mit den „konservierungstechnischen Möglichkeiten der systematischen Erhaltung“ architektonischer Denkmäler sowie von Wandmalereien befassten. Bei dem ersten Vorhaben handelte es sich um das Forschungsverbundprojekt „Wandmalerei-Schäden“ (1987–1991). Unter der Leitung des Instituts für Denkmalpflege (Niedersächsisches Landesverwaltungsamt Hannover) sollten an bedeutenden Denkmalen Deutschlands „maltechnische Befunde und Schadensbilder im interdisziplinären Verbund“ erfasst, katalogisiert, typisiert sowie „Schadensursachen“ klassifiziert werden , – und zwar im Vergleich mit ausgewählten Malereien in Dänemark, England, Österreich und Schweden. Das Projekt zeichnete sich damals durch seinen innovativen Charakter aus: zu jenem Zeitpunkt waren Wandmalereien in Deutschland und im Ausland unter dem Gesichtspunkt ihrer Konservierung noch kaum systematisch erforscht worden, und dies, obwohl sie zu den empfindlichsten Kulturgütern zählen: durch ihre untrennbare Verbindung zu ihrem architektonischen Träger und dessen Wirkungsmechanismen sowie durch chemisch-physikalische und biologische Einflüsse auf ihre empfindliche materielle Substanz sind sie besonderen Gefährdungen ausgesetzt. Dazu wurde dort erstmals die interdisziplinäre Zusammenarbeit von u.a. Restauratoren, Kunsthistorikern sowie auch Naturwissenschaftlern erprobt. Innerhalb dieser interdisziplinär aufgestellten Forschungsgruppe führte H. P. Autenrieth seine kunsthistorische Tätigkeit unter Mitarbeit von Restaurator Peter Turek aus, mit dem er auch in den nächsten aufgeführten BMFT-Projekten kollaborieren sollte. Gemeinsam untersuchten sie die Alte Kirche in Idensen und die evangelisch-reformierte Kirche in Eilsum (beide in Niedersachsen), die Stiftskirche Nonnberg in Salzburg (Österreich), das Heiligen-Geist–Hospital in Lübeck (Schleswig-Holstein) und die Pfarrkirche in Lipp (Nordrhein-Westfalen). Dabei lag der Schwerpunkt ihrer Recherchen auf dem sogenannten „historischen Monitoring“, das heißt, der Auswertung von früheren Fotografien der Objekte, die anschließend mit dem aktuellen Zustand verglichen wurden. Nicht zuletzt wurden im Rahmen des Projektes neuartige Mittel und Methoden entwickelt und optimiert, um damit „die Einzelkomponenten in ihrer interaktiven Dynamik hinreichend zu korrelieren“. So arbeiteten H. P. Autenrieth und Peter Turek ebenfalls an der Entwicklung von Modellen für grafische Inventarisation mittelalterlicher Wandmalereien und nicht zuletzt an der Verbesserung der eingesetzten optischen Techniken zur Schadensphänomenologie von Wandmalereien, insbesondere der Wandmikroskopie und der UV-Fluoreszenztechnik.

Das BMFT-Projekt „Erhaltung historischer Wandmalereien“ Infolge des BMFT-Projektes „Wandmalerei-Schäden“ konnten H. P. Autenrieth und Peter Turek die von ihnen optimierten Untersuchungstechniken bald weiter anwenden, und zwar im Rahmen des anschließenden Forschungsvorhabens „Erhaltung historischer Wandmalereien“ (1991–1996), welches unter der Leitung der Fachhochschule Köln stattfand. Hier wurde der Schwerpunkt nicht mehr direkt auf der Erforschung der Schäden und deren Ursachen gelegt, sondern auf der Verbesserung der Untersuchungs-, Reinigungs- und Restaurierungsmethoden selbst. Zunächst ging es darum, gebräuchliche sowie neue Feld- und Laboruntersuchungsmethoden zu erfassen und diese auf ihre Relevanz für die Konservierung und Restaurierung in der Denkmalpflege zu prüfen. Die relevanten Untersuchungsmethoden sollten dann übernommen, angewendet und weiterentwickelt werden. Nach der gemeinsamen Bearbeitung von Konservierungs- und Restaurierungskonzepten durch Naturwissenschaftler und Denkmalpfleger galt es, die Auswirkung der ausgewählten Mittel und Methoden zur Reinigung und Konservierung von Wandmalereien zu untersuchen. Hier erforschten H. P. Autenrieth und Peter Turek die Wandmalereien der Evangelischen Pfarrkirche in Gemünden (Westerwald, Rheinland-Pfalz), der ehemaligen Prämonstratenser-Stiftskirche in Knechtsteden (Nordrhein-Westfalen) und der Kaufkapelle der Kirche St. Gereon in Köln. Dabei arbeiteten sie weiter an der Entwicklung der Wandmikroskopie und der UV-Fluoreszenz und erprobten „mit Hilfe der Thermographie und der Mikrowellenmessung neue Untersuchungsmethoden zur Feststellung von Putzhohlräumen“. Diesmal beteiligte sich ebenfalls Beate Autenrieth am Vorhaben, welche für die Sichtung der Literatur, der Archivalien und der Restaurierungsakten zuständig war.

Optimierung der optischen Techniken zur Schadensphänomenologie: das Monitoring und die Wandmikroskopie Im Rahmen jener ambitionierten, sowohl privaten als auch mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungsprojekte zur Untersuchung von Wandmalereien, an denen H. P. Autenrieth in den 80er und 90er Jahre arbeitete, befasste sich dieser intensiv mit den fotografisch-optischen Techniken der Schadensphänomenologie, insbesondere mit der Praxis des sogenannten „Monitoring“, der Wandmikroskopie und der UV-Fluoreszenz. Beim Monitoring ging es darum, charakteristische Stellen eines architekturgebundenen Kunstobjekts in bestimmten zeitlichen Abständen regelmäßig zu erfassen und zu dokumentieren, namentlich anhand der Fotografie. Durch einen kritischen Vergleich der verschiedenen Aufnahmen konnten schließlich etwaige Veränderungen an den Wandmalereien genau beobachtet werden. Langfristig diente diese Evaluation als Grundlage, um ein wirksames, präventives Konservierungs- und Wartungskonzept zu entwickeln. Zu unterscheiden ist zwischen dem „historischen“ Monitoring und dem Mikro-Monitoring. Das „historische“ Monitoring basierte auf einer möglichst detaillierten Auswertung von alten Fotografien einer Wandmalerei. Zunächst wurde eine Literatur- und Archivrecherche (Bauakten, etc.) zum Objekt durchgeführt – die sogenannte „Anamnese“ –, um Auskunft über dessen jahrhundertelange Schadensgeschichte zu bekommen. Dazu wurden alte Fotografien systematisch gesammelt – die sichersten Quellen, um die Entwicklung der Schäden in den letzten Jahrzehnten beurteilen zu können. Diese wurden dann im Labor aufgearbeitet, das heißt nachvergrößert und ausgefiltert. Nachdem die Wandmalerei in ihrem objektiven Zustand anhand von Streiflicht, Mikroskop und UV-Fluoreszenz beobachtet und fotografiert wurde, wurden die alten Fotografien unmittelbar neben das Original bei verdunkelter Umgebung projiziert und mit dessen objektivem, aktuellem Zustand kritisch verglichen.

Das Mikro-Monitoring basierte dagegen auf der Auswertung von unterschiedlichen, anhand der Wandmikroskopie aufgenommenen Mono- bzw. Stereo-Mikroaufnahmen der gleichen Wandmalerei, welche eine Vergleichsbasis für zukünftige Kontrollen schaffen sollten: „durch Wiederholung der Aufnahmen [wurde] geprüft und dokumentiert, ob und mit welcher Geschwindigkeit überhaupt aktuelle Schadensvorgänge an der Wand stattfinden“. Dies sei damals die effektivste Methode gewesen, „um etwa die Behauptung von einem rapiden, aktuellen Verfall zu bestätigen oder zu widerlegen, indem es alle Veränderungen objektiv [festhielt]“. Allerdings bestand bei der Praxis der Wandmikroskopie – Beobachtung und Fotografie der Schäden – die Herausforderung darin, jede beliebige Stelle der Wand, selbst in großen Höhen, zielgenau und wiederholt, möglichst vibrationsfrei „anfahren“ zu können. So entwickelten H. P. Autenrieth und Peter Turek 1989 im Rahmen des BMFT-Projektes „Wandmalerei-Schäden“ eine transportable, bis etwa acht Meter Höhe aufzubauende Anlage, welche auf Basis eines sogenannten Studiostativs speziell angefertigt wurde. Das Prinzip dieses schwingungsfreien „Gigastatives“ beruhte auf der kompletten Trennung von Mikroskopträger und Arbeitsgerüst, was dazu führte, die störenden Vibrationen möglichst zu reduzieren. So konnten berührungsfreie Mono- und Stereo-Mikrofotografien bis in großen Höhen und bis zu einem Abbildungsmaßstab von 160:1 aufgenommen werden.

Die Praxis der UV-Fluoreszenzfotografie H. P. Autenrieth und Peter Turek leisteten ebenfalls eine Verbesserung der UV-Fluoreszenzfotografie. Bei der UV-Fluoreszenzuntersuchung geht es darum, dass unter einer Strahlung von bestimmter Wellenlänge einige Substanzen mit UV-Fluoreszenzphänomenen reagieren und auf diese Weise für die Dauer der Exposition mehr oder weniger stark aufleuchten. Wichtig für einen Befund sind einerseits die Unterschiede zwischen leuchtendem und nicht leuchtendem Material sowie die Eigenschaften der Fluoreszenz selbst – ihre Stärke und Farbe. Was die UV-Fluoreszenzfotografie angeht, wird die Qualität der Aufnahmen hauptsächlich durch eine möglichst reine fotografische Darstellung der UV-Fluoreszenz bedingt. In diesem Sinne arbeiteten der Kunsthistoriker und der Restaurator an der Optimierung der gesamten technischen Zubehörteile, welche im Laufe des Verfahrens eingesetzt wurden: Leuchten, Leuchtfilter, Aufnahmefilter, Filmmaterial. Dazu führten sie ins Verfahren einen nichtfluoreszierenden Weißstandard aus Bariumsulfat ein, der ermöglichte, „die meisten Fluoreszenzen als solche sicher zu erkennen und diesen Befund auch in der Aufnahme selbst zu demonstrieren“. Ihre neu gewonnenen Erkenntnisse konnten H. P. Autenrieth und Peter Turek insbesondere 1992 im Rahmen des BMFT-Projektes in der Grotte der Sala Terrena von Schloss Weißenstein (1991–1993) in Pommersfelden zum Einsatz bringen. Das Vorhaben setzte sich zum Ziel, die Materialfülle der ab 1722 erstellten künstlichen Grottierung sowie die Ursachen der mit der Zeit entstandenen Schäden naturwissenschaftlich zu erforschen und Lösungswege vorzuschlagen. Dabei wurden H. P. Autenrieth und Peter Turek einerseits mit der UV-Untersuchung der Grotte und deren Dokumentation beauftragt, andererseits mit der Auswertung der Ergebnisse der vom Labormobil der MPA Bremen bereits erhaltenen Proben zur Materialbestimmung der Dekorationen. Zum Thema der UV-Fluoreszenztechnik veröffentlichten sie auch mehrere Artikel in verschiedenen Fachzeitschriften. Des Weiteren vermittelte H. P. Autenrieth seine Fachkompetenzen im Rahmen verschiedener Vorträge und Lehrveranstaltungen. Zwischen 1996 und 2000 leitete er ein Seminar zum Thema „UV-Fluoreszenzuntersuchung an Wandmalereien und die Praxis der UV-Fluoreszenzphotographie“ im Fachbereich Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut der Fachhochschule Köln.
 

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H. P. Autenrieth widmete sich der wissenschaftlichen Forschung ungefähr bis zu seinem 75. Lebensjahr. Seinen letzten Vortrag hielt er 2011 in Trier auf der Internationalen Tagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS und ein Jahr später publizierte er seine letzten Aufsätze. In den folgenden Jahren, als H. P. Autenrieth noch an mehreren wissenschaftlichen Beiträgen zu verschiedenen italienischen Kirchenbauten arbeitete, traten bei ihm die ersten Alterserscheinungen auf. 2017 entschlossen sich Hans Peter und Beate Autenrieth auf Anregung des alten Freundes Prof Dr. Heidwolf Arnold die Autenrieth-Janberg-Stiftung zugunsten des Kunstgeschichtlichen Instituts der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zu gründen und übergaben den wissenschaftlichen Nachlass an ebendieses. Die Einrichtung einer zweiten, Verbrauchsstiftung, namens „Beate und Hans Peter Autenrieth - Erforschung und Dokumentation Mittelalterlicher Wandmalerei“, mit Sitz in München erfolgte 2020.
Beate Autenrieth verstarb am 04.10.2021.
Hans-Peter Autenrieth verstarb am 01.05.2022.

Erfasst von Hélène Iehl M.A.

Bibliographie (außer Publikationen von Hans Peter Autenrieth)

BÖNING-WEIS / HEMMETER / PETZET 2005
BÖNING-WEIS, Susanne / HEMMETER, Karlheinz / PETZET, Michael u.a. (Hg.): Jahrbuch der Bayerischen Denkmalpflege. Forschung und Berichte. Bd. 49–53 für die Jahre 1995–1999. München/Berlin, 2005, S. 347.

DASSER 1998
DASSER, Karl Ludwig: Erhaltung historischer Wandmalereien. Ergebnisse eines Forschungsprojekts an der Fachhochschule Köln, in: EXNER, Matthias (Hg.): Wandmalerei des frühen Mittelalters. Bestand, Maltechnik, Konservierung. Eine Tagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS in Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen, Lorsch, 10.-12. Oktober 1996. München 1998 (ICOMOS - Hefte des Deutschen Nationalkomitees, 23), S. 237–239.

FELDTKELLER 2010
FELDTKELLER, Julia: Wandmalereirestaurierung. Eine Geschichte ihrer Motive und Methoden. Zugl.: Kassel, Univ., Diss., 2004. 2. Aufl. Wien 2010 (Grazer Edition, 6).

GROTE 1992
GROTE, Rolf-Jürgen: Aktuelle Zwischenergebnisse des Forschungsprojektes „Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen“, Einleitung, in: SEGERS-GLOCKE, Christiane (Hg.): Berichte über die Tätigkeit der Bau- und Kunstdenkmalpflege in den Jahren 1989–1990. Hameln 1992 (Niedersächsische Denkmalpflege, 14), S. 9.

GROTE / KÖNIGFELD 1989
GROTE, Rolf-Jürgen / KÖNIGFELD, Peter: Wandmalerei-Schäden und ihre Ursachen: Ein Pilotprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie, in: MÖLLER, Hans-Herbert (Hg.): Restaurierung von Kulturdenkmalen. Beispiele aus der niedersächsischen Denkmalpflege. Hameln 1989 (Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen Beiheft, 2), S. 15–20.

GROTE / KÖNIGFELD 1990
GROTE, Rolf-Jürgen / KÖNIGFELD, Peter: Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen – ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie: Aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden, in: MÖLLER, Hans-Herbert (Hg.): Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen. Ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie. Aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden. Hannover 1990 (Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 8), S. 6–14.

JAKOBS 2013

JAKOBS, Dörthe: Was bleibt? Was kommt? Heutige Konzepte und Desiderate der Forschung im Umgang mit feuchtebelasteten Räumen, in: DANZL, Thomas / EXNER, Matthias / RÜBER-SCHÜTTE, Elisabeth (Hg.): Wandmalereien in Krypten, Grotten, Katakomben. Zur Konservierung gefasster Oberflächen in umweltgeschädigten Räumen. Wallpaintings in crypts, grottoes, catacombs. Strategies for the conservation of coated surfaces in damp environments. Internationale Tagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Quedlinburg Palais Salfeldt 3. bis 6. Nov. 2011. Petersberg 2013 (ICOMOS - Hefte des Deutschen Nationalkomitees, 56), S. 213–224.

KÖNIGFELD / GROTE / GLASHOFF 1994
KÖNIGFELD, Peter / GROTE, Rolf-Jürgen / GLASHOFF, Harm: Ergebnisse und Ausblick – Kritische Wertung des Projektverlaufs, in: SEGERS-GLOCKE, Christiane (Hg.): Forschungsprojekt Wandmalerei-Schäden. Ein Förderprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie. Schlußbericht zu den interdisziplinären Befunden. Hameln 1994 (Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 11), S. 19–23.

MÖLLER 1990
MÖLLER, Hans-Herbert: Vorwort, in: MÖLLER, Hans-Herbert (Hg.): Schäden an Wandmalereien und ihre Ursachen. Ein Forschungsprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie. Aktuelle Vorberichte zu den ersten interdisziplinären Befunden. Hannover 1990 (Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 8), S. 5.

PETERSEN 2013
PETERSEN, Karin: Die Konservierung von Wandmalerei und Mikrobiologie. Zwanzig Jahre nach dem BMFT-Projekt zur Erhaltung historischer Wandmalereien, in: DANZL, Thomas / EXNER, Matthias / RÜBER-SCHÜTTE, Elisabeth (Hg.): Wandmalereien in Krypten, Grotten, Katakomben. Zur Konservierung gefasster Oberflächen in umweltgeschädigten Räumen. Wallpaintings in crypts, grottoes, catacombs. Strategies for the conservation of coated surfaces in damp environments. Internationale Tagung des Deutschen Nationalkomitees von ICOMOS in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Quedlinburg Palais Salfeldt 3. bis 6. Nov. 2011. Petersberg 2013 (ICOMOS - Hefte des Deutschen Nationalkomitees, 56), S. 33–42.

PURSCHE 2015/1
PURSCHE, Jürgen: Raumdekorationen und Wandmalerei. Die Bedeutung von Wartung, Monitoring und Evaluation als Grundlage präventiver Konservierung, in: KRIST, Gabriela (Hg.): Collection care / Sammlungspflege. Wien/Köln/Weimar 2015 (Konservierungswissenschaft, Restaurierung, Technologie, 12), S. 75–139.

PURSCHE 2015/2
PURSCHE, Jürgen: Die Grotten-Sala terrena von Schloss Weißenstein in Pommersfelden: Bestandsaufnahme, Bestandssicherung – Prävention (?), in: KRIST, Gabriela (Hg.): Collection care / Sammlungspflege. Wien/Köln/Weimar 2015 (Konservierungswissenschaft, Restaurierung, Technologie, 12), S. 364–382.

SEGERS-GLOCKE 1994
SEGERS-GLOCKE, Christiane: Vorwort, in: SEGERS-GLOCKE, Christiane (Hg.): Forschungsprojekt Wandmalerei-Schäden. Ein Förderprojekt des Bundesministers für Forschung und Technologie. Schlußbericht zu den interdisziplinären Befunden. Hameln 1994 (Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 11), S. 5.